Geschichte der Chirurgie als Lebensaufgabe

Medizinhistoriker Prof. Thomas Breier zum 75. Geburtstag

Wissenschaftliche Tagung der Akademie der Medizinwissenschaften, Temeswar 1981: Eröffnungsreferat Thomas Breier

Wissenschaftliche Tagung der Akademie der Medizinwissenschaften, Temeswar 1981: Eröffnungsreferat Thomas Breier

Lehrer, Bürgermeister, Historiker, Publizist – das Wirken Thomas Breiers im Banat (westrumänische Region) war vielseitig und schaffensreich. Von 1979 bis 1989 war er Lehrstuhlinhaber für Chirurgie am Medizininstitut Temeswar/Timișoara in Rumänien. Vor allem mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Temeswarer Chirurgiegeschichte sichert er sich einen Ehrenplatz in der Reihe bedeutender Banater Persönlichkeiten. Breiers medizinisch-historische Abhandlungen kämen der Arbeit eines Bergmanns gleich, der die Schätze aus dem Dunkel und der Tiefe der Erde ans Tageslicht fördert, befand der angesehene Chirurgieprofessor und langjährige Rektor des Medizininstituts, Prof. Dr. Pius Brânzeu.. Weiterlesen

Beginn einer neuen Ära

Der Umsturz vom 23. August 1944 in Rumänien

Am 23. August 1944 stürzte der rumänische König Mihai/Michael I.[1] die faschistische Militärdiktatur Ion Antonescus, Rumänien scherte aus der Allianz mit Hitlerdeutschland aus und schloss sich den Alliierten an. Der Frontwechsel hat den Fortgang des Zweiten Weltkriegs entscheidend beeinflusst und ihn um mindestens ein halbes Jahr verkürzt. Die Folgen für Rumänien waren einschneidend, die mutige Entscheidung des Königs hat aber das Land vor der totalen Katastrophe, die mit einer bedingungslosen Kapitulation einhergegangen wäre, bewahrt. Der historische Akt vom 23. August 1944 ließ zudem die rumänische Demokratie für kurze Zeit wieder aufleben. Und es begann der Aufstieg der kommunistischen Partei zur Macht, die sie bis Dezember 1989 als »führende politische Kraft der gesamten Gesellschaft« innehatte.[2]

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Das kommende Europa

Der neue Regionalismus und die Sehnsucht nach einem alternativen europäischen Modell

1964, als der erste Präsident der Europäischen Kommission, Walter Hallstein, als Ziel des europäischen Einigungsprojektes »die Überwindung der Nationen und die Organisation eines nachnationalen Europas«[1] und »am Ende eine Verfassung Europas als Netzwerk freier Regionen«[2] formulierte, stieß dieses Konzept noch auf eine relativ geringe Resonanz. Doch inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Die alte, geordnete und stabile Welt, wie sie bis zum Ende des Kalten Krieges Bestand hatte, existiert nicht mehr. Das Fundament des heute noch vorherrschenden politischen Systems – ein Modell des 19. Jahrhunderts zur Organisation von Nationalstaaten – beginnt zu bröckeln. Nach der Auflösung der Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei in den 1990er-Jahren sind jetzt auch in westeuropäischen Staaten Sezessionsbestrebungen auf dem Vormarsch. Die Regionalisten sehen die Abspaltung allerdings nicht als Selbstzweck, sondern lediglich als ultima ratio in ihrem Bestreben nach mehr Selbstbestimmung.

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Je größer der Baum, desto stärker die Wurzeln

Ioan Holender, der ehemalige Direktor der Wiener Staatsoper, wird 80

Ioan Holender

Ioan Holender, Autorenlesung 2011 in München. Foto: Yves-Pierre Detemple

Ioan Holender wurde am 18. Juli 1935 in Temeswar/Timișoara im rumänischen Banat geboren. Das tägliche Leben im Umfeld mehrerer Sprachen und Kulturen war prägend für seine Entwicklung. Als er dreizehn Jahre alt war, wurde die Essig- und Marmeladenfabrik seines Vaters verstaatlicht, die Villa seines Großvaters mütterlicherseits enteignet. Dennoch glaubte Holender, wie damals viele seiner Altersgenossen im Alter zwischen sechzehn und zwanzig Jahren, an die Alternative des Sozialismus, begeisterte sich für den Aufbau einer neuen Welt. Als Sohn eines »Ausbeuters« war ihm der Hochschulzugang eigentlich versperrt. Um dennoch einen Studienplatz zu bekommen, arbeitete Holender nach Abschluss der Technischen Mittelschule ein Jahr als Hilfsarbeiter in den Temeswarer Elektrizitätswerken bei der Straßenbahn. Am Polytechnischen Institut studierte er dann fünf Semester Maschinenbau, Fachrichtung Dampfmaschinen. Seine Leidenschaft galt aber damals schon der Oper. Weiterlesen

Nadia Comăneci und die perfekte 10

Roman über das rumänische Turnwunder

Comaneci BuchOlympische Spiele, Montreal 1976. Gerade hat Nadia ihre Stufenbarrenkür beendet.

»Was die Kleine gerade vorgeführt hat, wirft jede Abfolge über den Haufen, Zahlen, Wörter, Bilder. Das hier liegt jenseits des Begreiflichen. Was da soeben passiert ist, kann man überhaupt nicht werten. Um die Schwerkraft schert sie sich einen feuchten Kehricht, ihr zarter Körper schafft sich Raum in der Luft und schmiegt sich hinein. […] Die elektronische Anzeigetafel zeigt COMANECI NADIA, ROMANIA, dann die 73, ihre Startnummer, und da, wo eigentlich ihre Wertung stehen sollte: nichts. Alle warten. Totenbleich laufen die sowjetischen Turnerinnen in dem Bereich, der für die Trainer und die fertigen Wettkampfteilnehmerinnen reserviert ist, auf und ab. Sie wissen es. Weiterlesen