Tom Bischof – deutscher Fußball-Nationalspieler mit Banater Wurzeln

Die Großmutter des Bayern-Jungstars stammt aus Tschanad

TikTok post von SWR Sport über den
Familienmenschen Tom Bischof[1]

In der 65. Minute des Spiels um Platz 3 der UEFA Nations League am 8. Juni 2025 in Stuttgart (Deutschland – Frankreich 0:2) wechselte Bundestrainer Julian Nagelsmann den 19-jährigen Tom Bischof für Leon Goretzka ein. Es war der erste Einsatz des talentierten Mittelfeldspielers im Trikot der A-Nationalmannschaft – ein symbolträchtiger Moment in seiner noch jungen Karriere. Mit diesem Debüt zählt Bischof zu den jüngsten Spielern, die je auf dieser Ebene für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) aufliefen.

Bischof wurde am 28. Juni 2005 in Aschaffenburg geboren und wuchs im unterfränkischen Amorbach im Bayerischen Odenwald auf. Die familiären Wurzeln reichen jedoch weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Seine Großmutter Elisabeth Schmelzer stammt aus dem rumänischen Banat, genauer aus Tschanad (rum. Cenad, ung. Csanád, serb. Čanad/Чанад).

Tschanad liegt im Kreis Temesch im Westen Rumäniens, am linken Ufer der Marosch und unweit der ungarischen Grenze. Die Gemeinde blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Historisch gehörte das Banat bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zur ungarischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie. Mit dem Zerfall Österreich-Ungarns im Jahr 1918 kam es zu einer territorialen Neuordnung der Region: Das Banat wurde zwischen Rumänien, Jugoslawien und Ungarn aufgeteilt, wobei Tschanad Rumänien zugesprochen wurde.

Über Jahrhunderte hinweg war der Ort ein Schmelztiegel verschiedener Ethnien, Kulturen und Religionen. Diese Vielfalt prägt bis heute die Identität seiner Bewohner. Rumänen, Ungarn, Serben, Roma, Deutsche und Bulgaren leben hier einträchtig zusammen. Die Großgemeinde zählt rund 3.500 Einwohner (Stand: 2021).

Im Herbst 1944 floh Elisabeth Schmelzer als Kind gemeinsam mit ihrer Familie, Angehörige der deutschen Minderheit der Banater Schwaben, vor den vorrückenden sowjetischen Truppen, den damit verbundenen Kampfhandlungen und aus Angst vor Repressionen zunächst nach Österreich und gelangte schließlich nach Deutschland, wo sie in Laufen (Oberbayern) eine erste Bleibe fand. Im August 1946 wurde die Familie (Großeltern, Eltern, die Kinder Elisabeth und Josef) in einer »Liste aller ortsanwesenden Personen der Vereinten Nationen und anderer Ausländer« in der amerikanischen Besatzungszone als in Amorbach wohnhaft geführt.[2]

Die Geschichte der Familie Schmelzer lässt sich bis in die frühen Jahre des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Im Rahmen der habsburgischen Siedlungspolitik ließen sich ab der Jahrhundertmitte deutsche Kolonisten – viele davon aus dem Sauerland im Herzogtum Westfalen – in Tschanad nieder, wo sie das wirtschaftliche und kulturelle Leben des Ortes mitprägten. 

Der 1728 im westfälischen Oberhundem, Kreis Olpe, geborene Johann Schmelter wurde am 8. Mai 1765 in Wien als »Schmelzer« zur Ansiedlung im Banat registriert und zusammen mit seiner Frau Anna Gertrude Dreses, einer Tochter und vermutlich zwei Brüdern in Tschanad angesiedelt. Ab 1765 lebten während 180 Jahren nicht weniger als acht Generationen der Schmelzers in Tschanad, bis sie 1944 das Banat für immer verließen. Elisabeth Schmelzer heiratete später den Maurer Manfred Bischof und bekam drei Kinder, darunter Thomas, den Vater des Fußballers. Bis heute lebt sie in Amorbach.

Tom Bischof schrieb am 8. Juni 2025 Fußballgeschichte. Der junge Mittelfeldspieler wurde laut Recherchen des bekannten Banater Sportjournalisten Helmut Heimann zum erst zweiten deutschen Nationalspieler mit banatschwäbischen Wurzeln – nach Jupp Posipal, der 1954 Teil der legendären Weltmeistermannschaft von Bern war. Posipal wurde 1927 in Lugosch geboren und verstarb 1997 in Hamburg. Auch in der Bundesliga ist diese Herkunft eine Seltenheit: Nach Peer Posipal, dem Sohn des Weltmeisters, ist Bischof erst der zweite Spieler banatschwäbischer Abstammung, der dort zum Einsatz kam. Peer (Jahrgang 1962) spielte zwischen 1983 und 1985 für Eintracht Braunschweig. Sein Vater Jupp hingegen lief noch in der Oberliga auf, der damaligen höchsten Spielklasse in Westdeutschland vor Einführung der Bundesliga im Jahr 1963.[3]

Zählt man auch Spieler mit weiter gefasstem banatdeutschen Hintergrund dazu, gehört auch Albert Streit (geb. 1980) zu diesem exklusiven Kreis. Der gebürtige Bukarester mit deutschem Großvater aus Temeswar stand zwischen 2001 und 2009 bei Frankfurt, Wolfsburg, Köln, Schalke und dem HSV unter Vertrag. Insgesamt kamen in den 62 Jahren Bundesliga-Geschichte bislang 40 Spieler aus Rumänien zum Einsatz, doch nur wenige davon mit Bezug zur deutschen Minderheit des Landes.[4]

Tom Bischofs sportliche Laufbahn begann beim TSV Amorbach. Mit zehn Jahren wechselte er in die Jugendakademie der TSG 1899 Hoffenheim, wo er im März 2022 mit nur 16 Jahren sein Bundesligadebüt feierte, als jüngster Spieler der Vereinsgeschichte. In der Saison 2024/25 avancierte Bischof zum Stammspieler und erzielte im November 2024 sein erstes Bundesligator beim 4:3-Sieg gegen RB Leipzig.

Abseits des Platzes gilt Bischof als Familienmensch. »Meine Eltern sind mir enorm wichtig«, betont er. Die Zeit mit ihnen nutzt er, um abzuschalten und neue Kraft zu schöpfen.

Der Transfer zum FC Bayern München in diesem Sommer markiert einen weiteren Meilenstein in seiner sportlichen Laufbahn und unterstreicht seinen Status als eines der größten Talente im deutschen Profifußball. Mit seinem frühen Nationalmannschaftsdebüt und dem Wechsel zu einem der Top-Clubs Europas steht Bischof am Beginn einer vielversprechenden Karriere.

Anmerkungen:
[1] SWR Sport, »Wenn Mama für dich da ist«, TikTok, https://vm.tiktok.com/ZNda5Bhw7, 28. Juni 2025.
[2] Arolsen Archives, https://collections.arolsen-archives.org/de/document/70023685, 2021.
[3] Helmut Heimann: Exklusiv! Tom Bischof zweiter Bundesligafußballer und Nationalspieler mit banatschwäbischen Wurzeln, in: Heimanns Blog, https://www.heimanns-blog.online, 1. Juni 2025.
[4] Helmut Heimann: Siebenbürger Sachse Dennis Seimen wird als Nummer eins des VfB Stuttgart aufgebaut, in: Heimanns Blog, https://www.heimanns-blog.online, 1. Dezember 2024. 

Veröffentlicht in: Banater Zeitung, 34. Jg., Nr. 1634, 27.8.2025, Temeswar/Timișoara, S. III.

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